Uns ist wichtig, dass wir den Kindern Werte fürs Leben mitgeben

Uns ist wichtig, dass wir den Kindern Werte fürs Leben mitgeben

Im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus haben wir mit vier Demokratiecoaches der Volkssolidarität Uecker-Randow, Patrick Jürgens, Mandy Krüger, Frank Holz auf der Heide und Wioletta Fial, über ihre Arbeit, Herausforderungen für die Demokratie, aber auch Erfolge und Zukunftspläne gesprochen.

Interview: Susann Neumann

Volkssolidarität M-V: Was beinhaltet die Ausbildung zum Demokratiecoach und was war ihre Motivation für das Coaching?

Wioletta Fial: Meine damalige Vorgesetzte hat mir vorgeschlagen die Ausbildung zu machen und ich fand es sehr passend zu meiner Stelle als Migrationsberaterin, denn ich habe jeden Tag mit diesen Themen zu tun. Wie funktioniert die deutsche Gesellschaft? Was bedeutet Gleichberechtigung? Was sind meine Rechte und Pflichten in einer Demokratie? Diese Fragen sind bei der Beratung immer präsent. Mit der Ausbildung konnte ich mein Wissen noch einmal erweitern. Ich fand es auch sehr gut, dass die Teilnehmer*innen, die alle aus unterschiedlichen Bereichen kommen, sich austauschen und gegenseitig von ihren Erfahrungen profitieren konnten.

Mandy Krüger: Wir arbeiten in den Kitas der Volkssolidarität nach dem pädagogischen Konzept des Situationsansatzes. Da ist Demokratie auch immer ein Thema. Als ich von der Ausbildung hörte, wusste ich gleich, dass ich da richtig bin. Gleichzeitigt hatte ich so die Gelegenheit auch mal über den Tellerrand hinaus zu schauen. Das Coaching war sehr bereichernd, vor allem, weil dort so viele unterschiedliche Menschen dabei waren.

Volkssolidarität M-V: Wie wenden Sie die Kenntnisse aus der Ausbildung in Ihrer täglichen Arbeit an?

Mandy Krüger: Im Vorfeld dieses Interviews habe ich mich dazu auch noch mal hinterfragt, denn es ist ja nicht so, dass wir mit einer Fahne durch die Stadt laufen, auf der groß steht, dass wir gegen Rassismus sind. Wir machen die Arbeit einfach. Bei mir in der Einrichtung haben 9 von 82 Kinder einen Migrationshintergrund. Hier dreht sich viel um alltägliche, kleine Herausforderungen in den Familien oder mit Behörden. Und da arbeiten wir z.B. mit dem Mehrgenerationenhaus Torgelow zusammen oder andere Eltern bieten ihre Hilfe an. Wir versuchen immer mit den Eltern ins Gespräch zu kommen und zu zeigen, dass wir für sie da sind. Also schnelle und unkomplizierte Hilfe bei der Integration.

Frank Holz auf der Heide: Wir Frau Krüger schon sagte, wir leben Demokratie im Alltag. Das äußert sich zum Beispiel in der Art und Weise, wie wir mit den Schülern reden. Wenn jemand schlecht über einen anderen redet, wird er darauf hingewiesen und nicht verurteilt. Ich arbeite an einer Grundschule, da ist den Kindern oft noch gar nicht bewusst, was Rassismus oder auch der 2. Weltkrieg bedeuten. Da müssen wir aufklären und die Themen auch im Unterricht aufgreifen.

Patrick Jürgens: Ich finde es auch wichtig eine gewisse Einstellung zur Demokratie an den Tag zu legen. Dass man sagt, „Leute, lernt euch doch erstmal kennen, bevor ihr euch bekriegt“. Und es ist auch wichtig, dass wir uns als eine zweite Stimme neben dem Elternhaus einbringen. Dass wir als verlässlicher Ansprechpartner da sind, um die Dinge auch von der anderen Seite zu beleuchten und darauf aufmerksam zu machen, warum Geflüchtete den Weg auf sich genommen haben.

Volkssolidarität M-V: Wie erleben Sie Rassismus in ihrem Arbeitsalltag?

Patrick Jürgens: Bei uns an der Schule ist das Thema insofern präsent als nationalsozialistische Strukturen hier gern Sticker verteilen und so versuchen Propaganda zu machen. Es gibt auch bestimmte Schüler, von denen ich weiß, dass sie in diesen Strukturen verkehren. Mit denen bin ich immer im Dialog. Für mich ist in der täglichen Arbeit wichtig, den Jugendlichen klare Grenzen zu setzen. Es gibt hier auch immer wieder rechtsradikale Tendenzen, aber im Moment ist es eher ruhig, weil wir gute Arbeit leisten und schon viel erreicht haben. Da hilft unser Netzwerk auch in der Volkssolidarität enorm.

Volkssolidarität M-V: Welche Projekte gibt es zur Rassismusbekämpfung in ihren Einrichtungen? Und was haben Sie für die Zukunft geplant?

Patrick Jürgens: 2015 kamen viele syrische und afghanische Jugendliche zu uns an die Schule in DaZ-Klassen (Anm. DaZ = Deutsch als Zweitsprache). Ich habe damals schnell gemerkt, dass der Kontakt zu den einheimischen Kids relativ schleppend war. Dass es so eine Distanz zwischen den Kulturkreisen gibt, war für mich als gebürtiger Rheinländer völlig neu. Also haben wir überlegt was die Menschen verbindet und das geht entweder übers Essen oder über Musik und Tanz. Da ist die Idee der Neon Nights entstanden. Um den Fokus von Herkunft oder Hautfarbe wegzulenken werden die Jugendlichen mit Neonfarben geschminkt und die Party findet bei Schwarzlicht statt. Da kann jeder hinkommen, es ist kostenfrei und das wird sehr gut angenommen. Auch dieses Jahr werden wir wieder so eine Veranstaltung machen.

Wioletta Fial: Wir haben bereits vor 3 Jahren angefangen ein Netzwerk in der Region in und um Torgelow aufzubauen. Damals waren wir nur zu dritt und heute sind unter anderem Mitarbeiter*innen der Stadtverwaltung Torgelow, von verschiedenen Trägern und aus Behörden dabei und das funktioniert hervorragend. Frau Krüger und ich haben aber noch mehr Pläne. Zusammen mit dem Deutsche Gesellschaft e.V. aus Berlin wollen wir Workshops zum Thema Demokratie gemeinsam mit einheimischen und migrantischen Jugendlichen machen. Dort können Sie ins Gespräch kommen und gegenseitig ihre Kultur kennenlernen.

Volkssolidarität M-V: Sie haben ja schon viel mit Ihrer Arbeit erreicht und sind gut vernetzt in der Region. Was wünschen Sie sich noch von der Politik und der Gesellschaft in Bezug auf Rassismusbekämpfung und Demokratiestärkung?

Frank Holz auf der Heide: Mich stört, dass die Medien viele Dinge unnötig aufbauschen. Was dort oft hochgekocht wird, hat mit unserer Arbeit und Lebensrealität nur wenig zu tun und macht die Dinge unnötig kompliziert. Da müssen wir dann wieder Aufklärungsarbeit leisten. Vieles klärt sich ja im täglichen Miteinander von ganz allein. Ich würde mir von der Politik etwas mehr Feingefühl für die Menschen wünschen, die sich tatsächlich mit den Themen Rassismus und Gleichberechtigung auseinandersetzen. Wenn ich frage „Wo kommst du her?“, werde ich schon verurteilt. Dabei geht es mir bei der Frage darum, etwas über die Menschen und ihre Geschichte zu erfahren. Denn ich finde eine bunte Gesellschaft mit verschiedenen Kulturen bereichernd. Wir sollten uns weniger an Formalien aufhalten. Im Endeffekt ist es doch das wichtigste, dass wir miteinander ins Gespräch kommen.

Mandy Krüger: Uns ist wichtig, dass wir den Kindern Werte fürs Leben mitgeben. Da ist auch die Zusammenarbeit mit der älteren Generation wichtig oder dass auch Kinder mit Handicap Teil der Gruppe sind. Sie sollen lernen, dass man eine Gemeinschaft ist, dass wir füreinander da sind und keiner ausgeschlossen wird. Das spielt bei dem Thema Demokratie auch eine Rolle. Wir haben hier schon tolle Projekte auf die Beine gestellt und eine gute Zusammenarbeit auch mit den ukrainischen oder syrischen Eltern. Viele strengen sich an, um sich zu integrieren und es ist toll zu erleben, wie wertschätzend sie auch mit unser Arbeit umgehen. Ich finde wir müssen mehr von den Erfolgsgeschichten erzählen.  

Wioletta Fial, Mitarbeiterin der Migrationsberatung in Torgelow

Mandy Krüger, Mitarbeiterin Hort „Zwergenland“ Torgelow

Patrick Jürgens, Schulsozialarbeiter am RBB des Landkreises Vorpommern-Greifswald

Frank Holz auf der Heide, Schulsozialarbeiter Haffgrundschule Ueckermünde

Beitrag teilen
Erhalten Sie alle Neuigkeiten
Jetzt zum Newsletter eintragen